"Deutschland muss sauber werden - weg mit diesen Killerspielen!" Teil 1

Bin ich ein labiler Grenzfall, weil ich mich in Mensch-ärgere-dich-nicht schonmal geärgert habe?
Mit dieser Frage beschäftige ich mich seit geraumer Zeit. Anlass für dieses seltsame Denkverhalten sind die Geschehnisse vom 11.März 2009. Tim Kretschmer rennt gegen halb 10 mit einer Beretta in seine ehemalige Schule, die Albertville Realschule in Winnenden und schießt 12 unschuldige Menschen tot. Später dann entführt er ein Auto, lässt sich 40 km weit rumkutschieren bis nach Wendlingen und schiesst in einem Autohaus und auf einem Supermarktparkplatz noch mal wild um sich, bis er letztendlich sich selbst hinrichtet. Was ein Abgang. Die Öffentlichkeit sieht zu, das große Finale ist auf der Handycam von irgendeinem Ahmed gebannt. Tim's Bodycount bleibt bei 16 stehen - Rekord! Seine Nachricht an die Nachwelt ist klar: Ich mochte euch nicht besonders. Das hat er sehr gezielt zum Ausdruck gebracht.

Auch Tage später zeigt sich Deutschland immer noch schockiert. Es scheint fast schon ein bisschen "In" zu sein, die Frage nach dem großen "WARUM?" nicht beantworten zu können... so geht das Rätselraten weiter. In den Klassenzimmern zeigen sich 1000de von Mädchen und Jungen erschüttert und schildern unter Tränen, wie sie die Ereignisse im TV und in der Bild-Zeitung erlebt haben. Eine gute Chance so zu tun, als hätte man Mitgefühl. Winnenden liegt doch bei Sylt, oder? Egal. Jetzt dürfen wir alle mal ein bisschen Emo sein. Die solidarischen Hänger, die es in JEDER Klasse dieser Nation gibt, leben in diesen Zeiten noch gefährlicher als sonst schon. Der Hass auf Aussenseiter ist nach solchen Geschichten fast schon legitim und gewährleistet eine neumodische Hexenjagd. "Der Paul, der wirkt so, als könnte er das auch mal machen... lasst uns den verprügeln!" Sicherheitsmaßnahmen, die der Staat gerne zulässt. Sollen sie die kranken Schweine doch abmurksen. Auf ein gutes, sauberes Deutschland.

Der Tod ist kein Spaß. Dennoch machen wir alle unsere Witzchen darüber. Der 11.September war am 12.September noch schlimm für uns... ein Jahr später aber nur noch ein historisches Ereignis, von dem man wusste, dass es seinen Weg in die Geschichtsbücher finden wird. Da kann man auch mal einen Spaß machen. Oder Zehn. Was ist schon dabei, es ist ja vorbei. Ich erinnere mich gut, wie Peter Klöppel nach dem Zusammenbruch des 2. Turmes mit Tränen in den Augen in die Kamera sagte: "Dieser Tag wird die Welt für immer verändern..." Knapp 7,5 Jahre danach wissen wir ganz gut, dass er das nur teilweise hat. Klar, am Flughafen dauert alles jetzt ein bisschen länger... aber ansonsten? Unsere moralischen Werte sind immer noch so verkommen wie vor 8 Jahren. Die Welt ist keinen Millimeter enger zusammen gerückt. Das ist überhaupt nicht schlimm. Aber dann soll man aber auch nicht die Show seines Lebens abziehen, weil in Deutschland mal einer Amok gelaufen ist. Denn wenn der Tod von Menschen auf einmal so tragisch ist, dann sollte man auch gleich mal anfangen, die Opfer in Darfur zu zählen. Oder im Irakkrieg. Oder sonstwo, wo Kinder, Frauen und Männer sonst wo auf furchtbarste Art einfach verrecken... meist grundlos. Aber das tut ja auch keiner. Also immer mal ruhig bleiben. Zwei Wochen vor Winnenden ist in Alabama fast dasselbe passiert, halt "nur" mit neun Toten. Das hat hier in Deutschland keine Sau interessiert. Also liegt es wohl eher an dem Fakt, dass es in UNSERER Schule passiert ist. In unserem System. Am zweitwichtigsten Ort nach dem eigenen Zuhause. Einfach so. Man möge mir an dieser Stelle widersprechen, aber... ist das nicht ein bisschen egoistische Trauer, sofern man nicht gerade selbst von der Geschichte in irgendeiner Weise betroffen ist?

Fortsetzung folgt.